SIMON ENGEL Quereinsteiger mit der Wucht eines Vulkanausbruchs
Ein Weingut: Jung, erfolgreich und kultureller „Hot Spot“ der Südoststeiermark
Infiziert am Wein hat sich Simon Engel bei einem Aufenthalt in Australien. Als der junge Mann wieder in seine Heimat nach Tieschen zurückgekehrt ist, wurde umgehend aus der elterlichen gemischten Landwirtschaft ein Weingut. Zu den 0,2 Hektar, auf denen Wein für den Hausgebrauch gekeltert wurde, kamen bald mehr als neun Hektar rund um den Königsberg und am Klöchberg in der Nachbarortschaft. Bis dahin war Simon Musikant gewesen, hatte Geige, Akkordeon und Schlagzeug gespielt und wendete nun sein Talent und das G´spür für feine Töne dem Weinmachen zu. Er selbst erklärt sich die Wandlung so: „Mir hat das gefallen, wie man mit dem Produkt Wein umgeht, die Wertschätzung und die Geschichte, die rundherum verpackt ist. Gläser mögen gleich ausschauen, aber in jedem Glas ist eine andere Geschichte je nach Sorte und Herkunft.“ Freilich gab es am Anfang Hilfe von Freunden wie dem Winzer Leo Gollmann, der ihn in seinem Keller die Trauben verarbeiten ließ. Dreinreden lassen hat sich Simon aber nur wenig. Die Theorie des Weinmachens eignete er sich in einem College in Krems an.
Der Rest wurde by try and error im Selbststudium erworben. So unbelastet, konnte er seine ganz persönlichen Vorstellungen von Wein verwirklichen – und hatte Erfolg. 2009 erreichte der Riesling Klöchberg 2008 bereits das Finale der Landesweinbewertung. Wenn nun jemand aufhorcht und sich über die Sorte wundert, dann erklärt ihm Simon gern: „Ich will einen eigenen Riesling vom Vulkan machen, ein bisschen härter am Gaumen und mit etwas mehr Schmalz.“ Vergleiche mit anderen Rieslingen, ob von der Wachau oder der Mosel, mag der Jungwinzer überhaupt nicht. Die Prüfer der diversen Weinbewertungen sind jedenfalls davon überzeugt. En suite wurde in den Folgejahren das steirische Finale erreicht. Die erste internationale Auszeichnung gab es für den Riesling Selektion Klöchberg mit Silber bei der AWC Vienna 2014. Dass dabei sein Traminer Klöchberg 2013 Gold holte, Trophy Sieger AWC Vienna und WHITE WINE OF THE YEAR wurde, liest sich in den Annalen des Erfolges fast märchenhaft. Aber es ist Tatsache, dass sich der Quereinsteiger mit seinem Sturschädel, andere sagen Freigeist zu solchen Typen, in kürzester Zeit in die Spitze der Weißweinproduzenten katapultiert hat.
Das Musizieren überlässt Simon Engel mittlerweile anderen Könnern. Seine Frau Andrea bedauert zwar, dass sie ihren Mann noch nicht spielen gehört hat, ist aber bei der Organisation eines pulsierenden Kulturlebens auf ihrem Weingut mit ganzer Kraft beteiligt. Sie erzählt mit strahlenden Augen vom Vinophilen Chillout, bei dem es seit 2008 Livemusik, erlesene Kulinarik und ein gutes Glas Wein gibt. Dazwischen strömen die Gäste zu Themenfesten wie dem „Rage Against Prohibtion“.
Dabei wurde das Chicago der 1920er-Jahre thematisiert. Man schätzt auch den Tanzworkshop und die Konzerte im Weinkeller. Wo sonst die Weintrauben verarbeitet werden, gibt es eine Bühne, auf der Schnitzlers Reigen ebenso bereits aufgeführt wurde wie Franz Kafkas dramatisierte Erzählung „Der Bau“. Andrea schwärmt von der allgemeinen Festkultur in dieser Gegend: „Es ist ein Wahnsinn, was sich hier tut. Immer gute Musik, feines Essen und immer ein Glas Wein, aber auch Bier von der kleinen Brauerei Georg Bock aus Mureck.“
Mit den anderen Winzern der Ortschaft verbindet Simon Engel der „TAU – Verwurzelt in Tieschen“.
Es handelt sich dabei um eine Burgundercuvée, die von jedem der zwölf Weinbauern im Frühjahr bei einer gemeinsamen Veranstaltung präsentiert wird. Die übrige Weinkarte liest sich wie ein Überblick über die steirischen Sorten, mit dem Welschriesling voran, dem Weißburgunder, Sauvingon Blanc, dem Gelben Muskateller und einem geheimnisvollen „FOX Frizzante“. Der Kenner mag lächeln, denn dahinter steckt die als Selbstträger verachtete Isabellatraube, die durch ihren, wie man in der Fachsprache sagt, Foxton (sie fuchselt) dem Gaumen und der Nase einen deutlichen Anklang an Walderdbeeren vermittelt. Für Connaisseure seltener Sorten wartet Simon Engel mit einem Muscaris Frizzante (PIWI) und einem Pet Nat (Pétillant Naturell) als Vertreter der ursprünglichsten Form für die Herstellung eines Schaumweins auf. Die Basis aller dieser Weine ist der Boden, den die Südoststeiermark einer regen Vulkantätigkeit in den Urzeiten der Erde verdankt. Geblieben ist der Basalt, der dem Wein von den Trauben bis in die Flasche einzigartige Mineralität und lebendige Frische verleiht.