Gewöhnlich kennt man den Friaul, also die Gegend von Udine südwärts bis zu den Badeorten an der Adria, als weite Ebene. Endlose Reihen von Weinstöcken, Felder und schnurgerade Buschreihen entlang der Bewässerungskanäle, dazwischen immer wieder seltsam verfallen anmutende Bauernhäuser; der Anreiz erscheint gering, um zumindest auf der Heimfahrt aus dem Urlaub von der Autostrada herab und ins Land hinein zu fahren. Und doch sind es beispielsweise von der Abfahrt Udine Süd nur ein paar Minuten ostwärts, um in einer Landschaft mit sanften Hügeln, Weinbergen, romantischen Schlössern und Gehöften mit ausnehmend gastfreundlichen Menschen anzukommen.
Die Colli Orientali del Friuli könnte man als das reizvolle Gesicht des Friauls bezeichnen. Das Städtchen Cividale del Friuli ist Hauptort der Region. Sie erstreckt sich von Nimis im Norden nach Südosten bis Corno di Rosazzo und den Fluss Judrio und bis Buttrio im Süden. Vom Wein her gesehen sind die Colli Orientali eines der DOC-Weinbaugebiete des Friaul-Julisch Venetien, wie der Carso bei Triest, Friuli Aquileia oder Friuli Grave in der Ebene von Pordenone. Ihre kulturellen Wurzeln ankern tief in römischer Zeit, spätestens bei Julius Cäsar, der mit dem Forum Julii, dem heutigen Cividale, durch Lautverschiebung dem Friaul zu seinem Namen verholfen hat. Sogar eine eigene Sprache, das Furlan (Friulanisch), hat sich erhalten und wird eifrig verwendet; wenn schon nicht gesprochen, so doch verstanden und auf zweisprachigen Ortstafeln und Straßenschildern, vor allem aber auf Weinetiketten zu lesen.
Fotos anklicken zum Vergrößern Um kurz noch bei der Kultur zu verweilen, wird ein Ausflug in den Süden der Colli Orientali empfohlen. Nordöstlich von Manzano thront die ehemalige Abtei Rosazzo unübersehbar auf einem der Ausläufer des fruchtbaren Hügellandes. Zum einen lädt sie ein, sich ein paar Minuten in die andächtige Stille des reich mit Fresken verzierten Kreuzgangs und in die mächtige Klosterkirche zurück zu ziehen, zum anderen bietet sie von ihrem verträumten Rosengarten aus eine unvergleichliche Aussicht von Slowenien im Osten bis zum Golf von Triest im Süden oder an klaren Tagen bis Aquileia und dem Meer.
Die Gegend um Rosazzo ist vom Weinbau beherrscht und demnach großteils noch ungestört von architektonischen Errungenschaften unserer Zeit. Die Weingüter sind der Umgebung organisch angepasst, sehr oft mitten in ihren Weingärten gelegen, oder in Ortschaften, die einen guten Teil ihres südlichen Charmes ins Heute gerettet haben. Man legt hier Wert auf Tradition, hütet mit Bedacht das überkommene Erbe und ist stolz auf seine Familiengeschichte, egal ob sie 1000 Jahre oder nur ein paar Jahrzehnte zurück reicht. Fotos zum Vergrößern anklicken g.o.qu.: Die Weingärten von Rocca Bernarda
g.o.r.: Darstellung autochthoner Sorten (Weingut La Viarte)
o.r.: Teufelsbrücke in Cividale
l.g.o.: Weingärten von Rocca Bernarda
l.o.l.: Petrus auf Fresken in Stift Rosazzo
l.o.r.: Rosengarten des Stiftes Rosazzo
l.o.: Ponca, der Weingartenboden der COdF
r.o.l. u. r.o.r.: Reliquien im Dommuseum von Cividale
r.o.m.: Langobardisches Erbe im Dommuseum von Cividale
r.o.u.: Kreuzgang im Kloster Santa Maria in Valle
o.: Gajus Julius Caesar, Gründer des Forum Julii
o.l.: Relief im Templetto longobardo
o.r.: Mittelalterliches Haus in Cividale
u.: Impression in Cividale
r.: Castello Santanna in Spessa
r.u.l. u. r.u.r.: Impressionen aus den Weingärten der COdF
u.: Sonnenuntergang über den Colli Orientali del Friuli Ribolla Gialla, Malvasia, Verduzzo Friulano sind noch weitere autochthone Weißweine, die aber ebenso wie der Picolit, ein Süßer, mit den jeweiligen Weingütern vorgestellt werden. Refosco, hierzulande am ehesten noch bekannt, oder der Tazzelenghe, der tanninreiche mit erhöhtem Säuregrad ("Tacelenghe" heißt Zungenschneider), und der Sensible namens Pignolo, das sind die in den Colli Orientali am weitesten verbreiteten autochthonen Rotweinsorten. Vor jeder internationalen Sorte, die auf den gleichen Hängen wächst, gehört ihnen die wahre Zuneigung eines wahren friulanischen Winzers.
| Cividale del Friuli bietet sich als erstes Ziel für das Weinfreunden an sich immanente Kulturinteresse, dem an dieser Stelle in aller Kürze Vorrang eingeräumt werden soll. Allein ein einfacher Stadtrundgang verschafft bereits eine Menge Wissenswertes. Dank strategisch gut platzierter Informationspunkte mit mehrsprachigen Erklärungen erfährt man die Geschichte noch bestens erhaltener, teils noch bewohnter und benützter mittelalterlicher Häuser, liest über Gegenwart und Vergangenheit ehemaliger und noch bestehender Kirchen und Klöster oder staunt über die für ihre Zeit tollkühne Konstruktion der Ponte del Diavolo, der Teufelsbrücke. Sie überspannt mit nur zwei Bögen das pittoresk steilwandige Tal des Fiume Natisone. Ein Cappuccino auf der Loggia des Palazzo Municipale gegenüber dem Dom verschafft eine kurze Rast vor dem Besuch der Museen. Im Museo Cristiano e Tesoro del Duomo trifft man beeindruckendes langobardisches Erbe. Der Altar des Ratchis, eines Herzogs, später Königs der Langobarden und schlussendlich Benediktinermönches, und das Taufbecken des Calixtus (8. Jh.) mit ihren geheimnisvollen Reliefs sind beredte Zeugen christlichen Denkens im frühen Mittelalter. Mit einer Kombi-Eintrittskarte gelangt man auch ins Monasterio di Santa Maria in Valle, um in die himmlische Ruhe im Kreuzgang dieses ehemaligen Nonnenklosters einzutauchen. Dessen Oratorium, den Templetto longobardo aus dem 9. Jh., machen neben Fresken und einem Chorgestühl beachtliche Stuckarbeiten dieser Zeit sehenswert. Zu einem bis heute nachwirkenden Erbe der Langobarden, der Geldwirtschaft, gelangt man schließlich in der Ausstellung Aurei longobardi im Museo Archeologico Nazionale.
Zu dieser gedeihlichen Verbundenheit mit der nächsten Umgebung gehört wesentlich die Auswahl der Traubensorten, die zu einer beachtlichen Anzahl autochthoner Reben geführt hat. Den südlichen Colli Orientali gemeinsam ist die Ponca, ein Boden, der nichts anderes als Weinbau zulässt. Sandstein, Mergel, Lehm und Kalk formen grundsätzlich dicke Platten, die im Kontakt mit der Luft zu immer feineren Plättchen zerfallen und dem weißen friulanischen Wein spezielle Mineralik und dem Rotwein seinen unverkennbaren Charakter verleihen. Das Klima, in seiner Form als Kleinklima, macht jedoch zwischen den einzelnen Tälern und Hängen bereits spürbare Unterschiede und hat noch bei den an sich kleinräumig angebauten Sorten zu weiteren Unterteilungen geführt.
Am ehesten bekannt mag diesfalls die Sottozona „Schiopettino di Prepotto“ sein. Schioppettino, sprich Skjoppettino, ist ein Rotwein mit beachtlicher Struktur, der ohne weiteres mit internationalen Sorten wie Merlot oder dem ebenfalls im Friaul sehr beliebten Cabernet Franc mithalten kann. Nahezu jeder Winzer der Colli Orientali stellt Schioppettino her, aber nur in Prepotto wächst der wahre Schioppettino di Prepotto, der schon in alten Zeiten aufgrund seiner bestechenden Qualität zum Wohlstand der dortigen Winzerfamilien geführt hat. Friulano, ein Weißer, ist vom Namen her der jüngste, von seiner Traube her bestimmt einer der ältest Eingesessenen. Bis vor wenigen Jahren wurde er weltweit noch als Tocai getrunken, bis aufgrund von Querelen mit Tokaj in Ungarn der Name geändert werden musste. Verständlich, dass auch die herkömmliche Bezeichnung noch zu hören ist, von den Etiketten musste sie aber verschwinden.
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