Kultur und Wein

das beschauliche Magazin


Raubmord in Gumpendorf 1867, Täter: Katharina Petrsilka, Albert Troll

Nur für starke Nerven und einen gesunden Magen: Das Wiener Kriminalmuseum

Moulagen (weder Wachs noch Gips) zum Mord im Lainzer Tiergarten 1928 (der Fall Gustav Bauer)

Eine düstere Wanderung durch die gemeinsame Geschichte von Verbrechen und Polizei

Der Mörder hat das Messer in der rechten Hand bereits erhoben. Mit der Linken presst er den Kopf seines Opfers auf eine Truhe. Sein Gesicht drückt wilde Entschlossenheit zur Tat aus. Die Frau schielt noch etwas ungläubig zu ihm hinauf. Offenbar hat sie mit diesem Angriff nicht gerechnet. Dass ihr der Mann unmittelbar darauf die Kehle durchschneidet und die Leiche einfach auf dem Tatort, einem Dachboden, liegen lässt, ist auf dem zeitgenössischen Stich nicht mehr zu sehen. Die Chronik berichtet jedoch vom immensen Aufsehen, das „Der Mord auf der Elendsbastei“ erregt hat. Kaiser Joseph II. war über die Grausamkeit und die Tatumstände derart schockiert, dass er für diesen Fall die bereits abgeschaffte Todesstrafe wieder aufleben ließ (die Todesstrafe ist offenbar nicht umzubringen). Der Adelige Franz de Paula Zaglauer von Zahlheim war bald der Tat überführt. Der im selben Haus wohnende Polizeikommissär Fiebich hatte heimlich Erkundigungen eingeholt und belastende Beweise zusammengetragen.

Darstellung eines brutalen Mordes aus früher Zeit

Am 10. März 1786 wurde Zahlheim am Rabenstein, dem heutigen Schlickplatz, hingerichtet: Tod durch das Rad, nachdem der Verurteilte zuvor mit einer glühenden Zange in die rechte und linke Brust gezwickt worden war.

Mag. harald Seyrl, Gründer und Leiter des Wiener Kriminalmuseums

Dieser Fall ist ein klassisches Beispiel für ein Verbrechen, gleichzeitig aber auch für erste Ansätze systematischer Polizeiarbeit im Wien des 18. Jahrhunderts. Für Mag. Harald Seyrl ist die gemeinsame Geschichte von Polizei und Verbrechen der rote Faden durch das von ihm gegründete Wiener Kriminalmuseum. Seine rhetorische Frage: „Warum gibt es die Polizei? Weil es die Kriminalität gibt“ erlaubt allerdings keinen Umkehrschluss.

Erzählt wird also nicht nur die Geschichte des Verbrechens ab der Zeit zwischen den beiden Türkenbelagerungen bis in die jüngere Gegenwart. Gezeigt wird auch die Entwicklung der Polizei von der Rumorwache bis zur Wiener Sicherheitswache, die 1869 aus der Militärpolizeiwache hervorgegangen ist und bis heute, freilich den Anforderungen ihrer Zeit stets angepasst, im Dienste der Verbrechensbekämpfung steht.

Das Wiener Kriminalmuseum (vereinigt mit dem Museum der Landespolizeidirektion Wien) findet sich in der Leopoldstadt, dem zweiten Wiener Gemeindebezirk, in der Großen Sperlgasse 24. Das Ambiente dieses alten Hauses, dem einstigen „Seifensiederhaus“, könnte nicht passender für dieses Thema sein. Das Gemäuer ist mehrere Hundert Jahre alt und man steigt vom Erdgeschoss im wahrsten Sinne des Wortes hinab in die Abgründe des Verbrechens.

Erinnerung an Hugo Schenk, den Blaubart von Breitenfeld

In den schmalen, verwinkelten Gängen lassen makabre Präparate wie der Kopf eines Hingerichteten, Moulagen von unbekannten verstümmelten Leichen oder die grausame Realität auf den Fotos von Mordopfern den Besucher schaudern.

Tatwaffen, vom Messer über die Pistole bis zur Faschiermaschine, ergänzen die Titelzeilen auf den Zeitungsartikeln, die auch nach Jahrzehnten ihre blutigen Neuigkeiten schreiend verkünden. Dramatisch beleuchtete Szenen berichten über die Ermordung des Kriegsministers Latour im Revolutionsjahr 1848 und in lebensgroßen Figuren vom gescheiterten Attentat auf den jungen Kaiser Franz Joseph 1853. Harmlos erscheinen dagegen die Druckerpresse von Geldfälschern, ein manipulierter Spielautomat oder das „tolerierte Haus“, ein Geheimbordell in den Zehnerjahren des 20. Jahrhunderts.

 

An das Ende dieses drastisch anschaulichen Rundgangs wurden der Würgegalgen und die Guillotine gestellt. Die erschreckende Tatsache: Es ist keineswegs noch lange her, dass diese Hinrichtungswerkzeuge im Gebrauch standen.

Zeitungsbericht vom 5. Dez. 1930 mit dem Fall Valerie Mikulasek (Schlaf süß, du kleiner Engel)

Auf der Guillotine, vor der man in diesem Museum steht, wurden zwischen 1938 und 1945 zig-tausend Menschen geköpft.

Mag. Harald Seyrl ist Spezialist für diese Materie. Er hat bereits 1972 in Schloss Scharnstein (OÖ) ein Kriminalmuseum geschaffen. Immer wieder waren Besucher an ihn herangetreten, doch auch in Wien ein ähnliches Museum zu schaffen. Seine Recherchen führten ihn zu den Resten des k.k. Polizeimuseums Wien, das aus einer Ausstellung anlässlich der Feiern zum Regierungsjubiläum von Kaiser Franz Joseph 1898 hervorgegangen war. In der Zwischenkriegszeit war es im Polizeigebäude auf der Elisabethpromenade in der Rossau untergebracht. In bestimmten Kreisen genießt dieser Ort nach wie vor zweifelhaften Ruf, trotz des freundlichen „Lisl“, mit dem unter Galeristen das nunmehrige PAZ (Polizeiliches Anhaltezentrum) bezeichnet wird. Mit dem Zweiten Weltkrieg wurde das Museum „vorläufig“ geschlossen und die Objekte in diversen Kellerabteilen „zwischengelagert“. Seyrl erinnert sich, wie mühsam es war, zumindest einen kleinen Teil davon wieder für sein Museum aufzuarbeiten.

Ermordung des Kriegsministers Graf Latour in der Oktoberrevolution 1848

Erdgeschoss und Keller wurden dem Museum gewidmet, das am 8. November 1991 eröffnet werden konnte. Untergebracht ist in diesem Gebäude auch die Edition Seyrl. Erschienen sind dort unter anderem „Mörderisches Wien. Ein Cityguide zur dunklen Seite Wiens“ von Richard Benda & Harald Seyrl, „Die Erinnerungen des österreichischen Scharfrichters Josef Lang“ (Hg. Harald Seyrl) oder die „Wiener Kriminalchronik“, die Seyrl 1993 gemeinsam mit Max Edelbacher, dem damals wohl populärsten Kiberer, erstellt hat. Aus diesem Band stammt übrigens auch die eingangs erzählte „Moritat“, die nur eine von den vielen Untaten ist, mit denen man in Wien noch etliche Bücher füllen könnte.

Wiener Kriminalmuseum in 1020 Wien, Große Sperlgasse 24
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